- Suchtmittelbekämpfung
- Suchtmittelbekämpfung,Betäubungsmittelbekämpfung, Rauschgiftbekämpfung, Drogenbekämpfung, rechtspolitische Sammelbegriffe, die seit Ende der 1920er-Jahre die polizeilich-justizielle Bekämpfung von illegalem Anbau, Herstellung, Vertrieb, Einfuhr, Ausfuhr, Erwerb, Besitz und auch Konsum von Suchtmitteln (Rauschgifte, Sucht) im Rahmen des Betäubungsmittelstrafrechts umfassen. Der weltweite Konsens der Suchtmittelbekämpfung basiert besonders auf drei internationale Übereinkommen, die in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts über Suchtstoffe (englisch narcotic drugs) 1961, psychotrope Stoffe (psychotropic substances) 1971 und deren unerlaubten Handel (illicit traffic) 1988 getroffen wurden; sie wurden von der Mehrheit der Mitgliedstaaten der UNO unterzeichnet und ratifiziert sowie durch Gesetze (BRD: Betäubungsmittelgesetz von 1972 und 1981, zuletzt in der Fassung von 1994) in nationales Recht umgesetzt. Die Unterzeichnerstaaten der Konventionen hofften, durch konsequente Anwendung strafrechtlicher Vorschriften (Repression) sowohl die Drogenproduzenten, Händler und Geldwäscher, Lieferanten chemischer Grundstoffe und »kriminelle Helfershelfer« überall auf der Welt verfolgen, vor Gericht stellen, bestrafen und ihre Vermögen beschlagnahmen zu können als auch durch Bestrafung von Konsumenten und Abhängigen die Suchtausbreitung verhindern zu können.Der illegale internationale Drogenhandel ist ähnlich wie die legale Weltwirtschaft organisiert und wird zur organisierten Kriminalität (OK) gerechnet. Die Handelskette reicht von den Drogenkartellen in Südamerika und Asien bis zum kleinen Straßenhändler. Die Drogenkartelle in südamerikanischen und asiatischen Anbauländern haben Produktion, Vertrieb, Schmuggeltransporte, Straßenverkauf, Geldwäsche und Geldanlage weltweit organisiert. Die Milliardenerlöse des Drogenhandels verhelfen nicht nur den Kartellen zu Reichtum und Macht, korrumpieren politische Systeme, sondern sichern gleichzeitig den Familien der Drogenbauern die Existenz. Die Eskalation der Drogenproblematik internationalisierte die polizeilichen Drogenabwehrkonzepte: 1) vorverlegte Abwehrlinie in den Ländern der Rauschgiftproduktion durch Rauschgiftverbindungsbeamte, die als Feldagenten wie eine Art polizeiliches Frühwarnsystem agieren; 2) verfeinerte verdeckte Ermittlungen, zu denen a) verdeckte Ermittler, b) V-Leute, c) polizeilich kontrollierte Betäubungsmitteltransporte und materiell technische Ermittlungsinstrumente zur akustischen und optischen Überwachung gehören; 3) Zeugenschutz und Kronzeugenregelung; 4) Bekämpfung der Geldwäsche und des Grundstoffhandels, Aufspüren von Gewinnen und die Abschöpfung dieser illegalen Vermögenswerte. In Deutschland ist ein großer Teil dieser Maßnahmen durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels u. a. Erscheinungsformen der OK vom 15. 7. 1992 geregelt. Zentrale Ermittlungsbehörden auf nationaler Ebene wie Bundeskriminalamt (BKA) und Zollkriminalamt (ZKA) und auf internationaler Ebene Interpol (IP) wurden auf europäischer Ebene durch Europol ergänzt.Der strafrechtliche und repressive Ansatz bestimmt weltweit die Drogenpolitik. Das sich daraus ergebende »System totaler Prohibition« hat auch in Deutschland durch das Betäubungsmittelstrafrecht zu einer durchgehenden Kriminalisierung aller denkbaren und mit Drogen in Zusammenhang stehenden Handlungen geführt. Letztlich wendet sich diese Art der repressiven Bekämpfung auch gegen die Suchtmittelkonsumenten, den Drogenmissbraucher, den Abhängigkeitskranken. Das trifft auch auf Deutschland zu, obwohl hier wegen des »Prinzips der allgemeinen Straflosigkeit bei Selbstschädigung« der Konsum von Suchtmitteln nicht strafbar ist. Der seit Mitte der 80er-Jahre durch die USA begonnene »Krieg gegen die Droge« (war on drugs) hat weltweit nicht nur die Polizei u. a. Strafverfolgungsbehörden, sondern auch zunehmend Militär (Militarisierung der Suchtmittelbekämpfung) und Nachrichtendienste zum Kampf gegen Drogen aufgerufen. Trotz dieser Maßnahmen hat sich das Rauschgiftproblem weiter ausgebreitet. Die Drogensicherstellungsmengen, die Zahlen der Konsumenten, Süchtigen und der Drogentoten stiegen weiter an. Nur 5-10 % des in Umlauf befindlichen Rauschgifts konnten sichergestellt werden. Folgende Tatsachen wurden mittlerweile für zahlreiche Länder staats- und demokratiebedrohlich: 1) Die Illegalität der Drogen ist die Grundlage der Profitabilität des Rauschgiftgeschäftes vieler OK-Gruppen, denen dadurch weiter hohe Gewinne und Einfluss in Wirtschaft und Politik garantiert werden; 2) gesamtgesellschaftliche (volkswirtschaftliche) Belastungen durch Beschaffungskriminalität (z. B. Eigentumsdelikte) von Abhängigkeitskranken; 3) zunehmende soziale Verelendung der Schwerstabhängigen (Fixer), die durch Sucht, Kriminalität und HIV-Infektion beziehungsweise -Erkrankung stigmatisiert sind. Es sind diese Folgen, die seit Mitte der 80er-Jahre in Nordamerika und Westeuropa zunehmend dazu führen, die Suchtmittelbekämpfung mit dem Primat der Strafandrohung, Strafverfolgung und Strafvollstreckung zu überdenken. Die Bekämpfung der OK als Drogenanbieter war auch in den 90er-Jahren mit Abstand die Hauptaufgabe von Polizei und Justiz. Die Drogennachfrage hingegen bedarf nach Meinung zahlreicher Kritiker anderer als strafrechtlichen Antworten.Der deutsche Gesetzgeber hat den Erfordernissen der Prävention, der Drogenhilfe und -therapie bislang erst wenig durch die Einführung der Grundsätze »Therapie statt Strafe« und »Hilfe statt Strafe« in den §§ 31a, 35 ff. Betäubungsmittelgesetz Rechnung getragen. Die Vergabe von Spritzen, die Einrichtung von Konsumräumen, die Methadonsubstitution und die ärztlich kontrollierte Heroinvergabe sind erst in der Erprobung.
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Sụcht|mit|tel|be|kämp|fung, die: Bekämpfung des Missbrauchs von Suchtmitteln.
Universal-Lexikon. 2012.